Eine Herausforderung der ganz besonderen Art ?
von Immo Gerber
Sind prächtige Riffausschnitte, also ein Stückchen Meer, auch in Nanobecken realisierbar ?
Der Trend der letzten Jahre ging eindeutig hin zu den kleineren Aquarien, unter 150l Inhalt, welche sich gemein hin unter dem Namen „Nano-Aquarien“ etabliert haben. Egal ob es sich hierbei um Süß- oder Salzwasser Becken handelte. Anfangs wurden in diesen, sehr kleinen Becken, eher einfache Wirbellose, wie Garnelen und Krustenanemonen gehalten und es galt als unglaubliche Herausforderung, diese Minibiotope über einen längeren Zeitraum, stabil am laufen zu halten. Dieser Trend scheint nun wieder etwas abzunehmen, denn viele der Aquarianer, welche mit Nanoaquarien gestartet waren, vergrößern sich mit der Zeit, andere geben das Hobby nach kurzer Zeit, wieder ganz auf. Die Frage wäre nun, ob dieses lediglich an der Limitierung (z.B. beim Fischbesatz) liegt, oder ob es noch andere Gründe gibt, warum ein solch kleines System schnell wieder aufgegeben wird. Ist es also möglich, z.B. auch als heikler geltende SPS Korallen , erfolgreich darin Pflegen zu können ? Der folgende Artikel beleuchtet ein solches Nanobecken, welches fast ausschließlich mit Wildstöcken aus Australien, Fiji und Nachzuchten aus Bali besetzt wurde und nun seit September 2014 läuft und beschreibt die bisher damit gemachten Erfahrungen.
Nanoaquarien stellen für viele, egal ob im Süß- oder Salzwasser oft den Einstieg in die Aquaristik dar. Der Grund liegt auf der Hand. Diese Aquarien werden oft im lukrativen Set angeboten und man hat das Gefühl erst einmal überschaubare Ausgaben zu haben. Da diese eben dann auch oft als Versuchsballon fungieren, geben viele wieder auf, welche nicht den notwendigen „Draht“ dazu entwickeln, oder welche merken, dass das Hobby doch nicht das ist, was Sie gesucht hatten. Somit muss dieses also nicht immer mit den Limitierungen eines kleineren Systems unmittelbar zusammenhängen.Einige entdecken aber Ihre Liebe zu dem interessanten und spannenden Hobby und spüren schon bald, meist nach ein bis zwei Jahren, den Wunsch, zu vergrößern. Dieser kleine Bericht soll zeigen, dass auch ein Nano-Aquarium seinen Reiz haben kann und das es durchaus möglich ist, ein solch kleines System über einen längeren Zeitraum stabil genug zu halten, um auch heikle SPS-Korallen, darin pflegen zu können. Es soll aber ebenso gezeigt werden, warum man sich, gerade beim Einstieg, vielleicht kein Nano Aquarium anschaffen sollte, bzw. sich klar machen muss, dass dieses höhere Anforderungen an den Pfleger stellt und eigentlich auch mehr Erfahrung voraussetzt.
Warum dann überhaupt ein Nanoaquarium ?
Vermutlich ist es eine Minorität, welche sich gezielt ein Nanobecken für die Haltung von SPS-Korallen aussucht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und meist auch nachvollziehbar. Der einzig wirklich stichhaltige, es eben doch mit einem solchen zu versuchen, ist die Tatsache, dass Veränderungen schneller passieren (auf Grund der sehr geringen Wassermenge) und es sich daher für Versuche und interessante Beobachtungen, hervorragend eignet. Ein weiterer Grund liegt auch noch darin, dass Versuche mit unterschiedlicher Technik (z.B. Licht) mit weitaus geringerem Budget, realisiert werden können. Sprich dem interessierten und forschungsbegeisterten Aquarianer bietet ein solch kleines Becken, bessere Möglichkeiten, einfach einmal etwas auszuprobieren. Und hierin liegt m.E. auch der Schlüssel, warum ich glaube, das eine solche Entscheidung bewusst getroffen werden muss. Als Einstieg kann es nur dienen, wenn man sich beschränken kann oder den o.g. Nutzen erkennt und daran auch Freude und Motivation findet.
Der Riffaufbau / Gestaltung oder Scape
Ein Nanoquarium fordert auf Grund der wesentlich geringeren Platzverhältnisse meist mehr Konsequenz beim Riffaufbau. Man sollte sich also bereits am Anfang darauf festlegen, welche Tiere, aus welchem Habitat man pflegen möchte. Ein reines „Mixed Becken“ geht hier zwar auch, ist aber aus meiner Sicht, gerade bei kleinen Becken, immer sehr kompromissbehaftet. Da ich von Anfang an wußte, das es vorwiegend SPS werden sollen, entschied ich mich für einen Riffpfeiler, welcher viel Stellfläche, gerade auf dem Riffdach bieten sollte.
Das System
Auf kurz oder lang braucht (fast) jedes Meerwasseraquarium eine systematische Versorgung der wichtigsten Wasserparameter, da Makro- und Spurenelemente durch die Tiere verbraucht werden.
Technische Geräte, wie ein Kalkreaktor etc. scheiden meist auf Grund der kleinen Wassermengen aus. Daher bieten sich andere, einfacher zu handhabende Versorgungssysteme an.
Sehr kleine Aquarien mit wenigen Riffbildenden Steinkorallen können tatsächlich noch oft mit einer zu ermittelnden Frequenz (abhängig vom individuellen Verbrauch, welcher sich nach dem Besatz richtet) von Wasserwechseln betrieben werden, wodurch der Verbrauch ausgeglichen wird. Bei vorwiegendem Besatz mit SPS – also Riffbildenden Steinkorallen reicht dieses i.d.R. nicht mehr aus. Gerade bei kleineren Systemen, besteht die Herausforderung zur Haltung empfindlicher SPS – Arten darin, trotz der geringen Wassermenge, sehr stabile Wasserwerte zu erreichen. Eine große Hilfe bieten hier ganzheitliche Lösungen, wie z.B. Triton, Sangokai usw.. Eine weitere große Innovation sind die neueren Möglichkeiten, die Wasserwerte durch ICP-OES Analysen diverser Anbieter, prüfen zu lassen. Die meisten Hersteller solcher Systeme bieten beides an, also die Versorgung mit Makro- und Spurenelementen, sowie die Messung der Wasserwerte. Ich selbst verwende seit Start des Beckens die Triton – Methode. Triton war auch der erste Hersteller, welcher die Kombination bzw. die Messung mittels ICP-OES angeboten hat. Ich hatte testweise auch andere Hersteller ausprobiert, war mit diesen aber nie so zufrieden wie mit Triton. Ich denke aber, dass hier jeder das passende System für sich und sein Becken finden muss. Verallgemeinern lässt sich dieses sicher nicht. Mit der Triton – Methode wird also sowohl die Versorgung des Kalkhaushaltes, als auch die Zuführung der notwendigen Spurenelemente, sicher gestellt. Werden hier die Vorgaben des Herstellers exakt umgesetzt, erhält man sehr stabile Wasserwerte. Der Vorteil ist dann nicht nur der, dass eine erfolgreiche Haltung, auch empfindlicher SPS, in einem solch kleinen System überhaupt möglich wird, sondern es nimmt auch die Frequenz der benötigten ICP-OES – Messungen ab. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist der, dass keine Wasserwechsel mehr notwendig sind. Dieses fällt zwar bei kleinen Becken nicht so sehr in’s Gewicht (monetär), aber verringert den Pflegeaufwand doch deutlich und der Genuss-Faktor tritt wieder mehr in den Vordergrund.
Die hier verwendete Triton-Methode gibt ein klares Korsett vor, welches befolgt werden sollte, will man, dass sich der gewünschte Erfolg auch einstellt. Manche mögen dieses als einen Nachteil ansehen. Ich selbst vergleiche das immer mit Apple und Windows. Apple hat aus meiner Sicht den großen Vorteil, dass es seine Software passend zur verbauten Hardware entwickeln kann und somit das Optimum erreicht. Windows muss auf allen Hochzeiten tanzen und kann daher nicht immer alles aus der gebotenen Hardware herausholen bzw. die Wahrscheinlichkeit von Problemen wird höher. Zurück auf Triton heißt das, dass hier das Versorgungskonzept optimaler auf die gemachten Vorgaben abgestimmt werden kann (z.B. erhöhter Jod-Anteil, da permanent über Kohle gefiltert werden sollte). Aber selbst dadurch passt Triton nicht zu jedem Becken und man muss, je nach Verbrauch, gewisse Elemente nach der Analyse wieder ergänzen. Die technische Basis der Triton Methode bildet im Grunde genommen erst einmal das altbewährte, sogenannte Berliner System. D.h., gute Abschäumung, ausschließliche Verwendung von Lebendgestein beim Riffaufbau und einen mind. 10-fachen Durchsatz beim Technikbecken. Dazu kommt noch zusätzlich ein Algenrefugium.
Die Strömung
Das Strömungskonzept für ein Nanobecken, gerade mit einer zentralen Riffsäule oder ähnlichem Aufbau, ist nicht zu unterschätzen. Jeder, der schon einmal heikle SPS-Korallen pflegen durfte, wird wissen, wie wichtig eine gute Beströmung des Beckens für die erfolgreiche Haltung ist. Ich selbst arbeite hier mit zwei VorTech MP10QD Strömungspumpen der Fa. EcoTech und zwei Tunze Turbellen 6095. Die Tunze sorgen mit Ihrem breiten Strömungsbild von unten, nach oben für die Hauptströmung. Gerade für die Tischacroporen welche bei mir alle aus Australien kommen, ist hier eine von unten kommende Strömung existentiell für die Tiere. Die VorTechs sorgen für die nötige Wasserbewegungbewegung (Rotation) um den Riffpfeiler.
Das Licht
Bei einem kleinen Aquarium wird der Faktor Licht meistens mehr unterschätzt als bei grösseren Becken. Und zwar im positiven (zu viel oder falsches Licht) als auch im negativen (zu wenig Licht) Sinn.
Gerade wegen der oft geringeren Maße, fallen diese Art von Becken bei einigen Standardmassen (z.B. T5) aus dem Raster. Trotzdem gibt es einige brauchbare Lösungen am Markt. Bei überwiegender SPS – Haltung kann ich bei reiner LED – Beleuchtung die Triton LANI und die ORPHEK Atlantik empfehlen. Reine T5 (meist 24W für Nano) passen nur bei den größeren Becken dieser Art, zu welchen ich z.B. das Cubicus der Fa. Aqua Medic, zählen würde. Ich selbst habe schon diverse Beleuchtungssysteme über meinem Becken ausprobiert. Bewährt hatten sich bei mir, wie bereits oben beschrieben, die Triton LANI, aber auch das T5 Hybrid – Modul der Firma Pacific Sun. Dabei muss aber bedacht werden, dass bei einem Nanobecken die Korallen meist recht dicht unter der Wasseroberfläche stehen. Die Beleuchtungssysteme sind aber im seltensten Fall, auch wirklich für ein solches Becken entwickelt bzw. ausgelegt worden. Dieses erfordert einen ausreichenden Abstand der Beleuchtungsquelle zur Wasseroberfläche. Die Tiere können, gerade bei LED-Beleuchtung, durch deren „Spot-Wirkung“ , ansonsten Degenerationserscheinungen, bzw. Schädigungen aufweisen. Diese zeigen sich meist nicht sofort, sondern der Prozess geschieht schleichend, über mehrere Monate. Daher sollte man bei Beleuchtungswechsel seine Tiere über längere Zeiträume hinsichtlich negativer Veränderungen, kritisch im Auge behalten. Viele glauben nämlich, dass man bereits nach wenigen Wochen die Tauglichkeit einer Beleuchtung feststellen könnte. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass dem nicht so ist.
Das Becken unter der Triton LANI (bis zum 18.02. 2016)
Das Becken unter der Hybrid der Fa. Pacific Sun (Versuchsweise seit 19.02.2016)
Die Nährstoffe
Dieses Thema könnte mit der Grund für das Scheitern einiger Nano Aquarien sein. Entweder weil zu viel-, oder zu wenig vorhanden sind bzw. der Nährstoffhaushalt nicht auf längere Zeit stabil gehalten werden kann. Zugegebenermassen ist gerade dieser Punkt, aus meiner Sicht, die Achillesferse solch kleiner Systeme. Es lässt sich oft, schon auf Grund der Beckengeometrie, ein Ungleichgewicht aus verhältnismäßig großer Siedlungsfläche für Bakterien (Riffaufbau) gepaart mit verhältnismässig vielen Verbrauchern, nicht vermeiden. Die meisten Systeme werden daher nach einiger Zeit (meist nach einem Jahr und mehr) eher Mangelsituationen zeigen. Hier adäquat und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu reagieren und gegenzusteuern, erfordert sehr viel Disziplin und eine gute Beobachtungsgabe für seine Pfleglinge. Man darf, auch bei solch kleinen Systemen, keine Wunder in kurzer Zeit erwarten. Und jeder weiß, eine Suppe zu salzen ist einfach, sie aber wieder zu retten, wenn Sie einmal versalzen wurde, leider nicht. Ähnlich verhält es sich, gerade bei einem solch kleinen Wasservolumen. Es muss also mit geringsten Dosen gearbeitet werden und „viel hilf viel“ ist der falsche Weg. Oder anders gesagt, die Fehlertoleranz eines Nanobeckens ist eben wesentlich kleiner, als die eines großen Aquariums, jenseits der 500l. In meinem Becken konnte ich auch schon Nährstoffmangelsituationen erleben. In grösseren Becken können diese oft leicht über das Anheben des Fischbesatzes, beseitigt werden. In kleinen Aquarien ist man hier oft limitiert, wobei dieses eigentlich auch hier der richtige Weg ist bzw. wäre. Ich konnte dabei auch die Feststellung machen, dass meine Fiji-Korallen besser mit Nährstoffmangel und höheren Beleuchtungsstärken klar gekommen sind, als z.B. jene aus Australien oder Bali. Den Grund dafür, konnte ich bisher noch nicht herausfinden.
Besonderheiten
Beobachtetes Wachstum einer Acropora Gemmifera (Fiji) im Nano-Aquarium innerhalb von 4 Monaten:
Gemmifera am 02.12.2015
Gemmifera am 03.03.2016
Nahaufnahme der Gemmifera
Bei SPS-Korallen kann der Fokus auf Wachstum, oder auf die Farbausbildung gelegt werden. Ich versuche hier einen Mittelweg zu gehen.
Fazit
Der Bericht soll zeigen (und vielleicht dabei auch den bzw. die ein oder andere(n) animieren), dass auch die Haltung empfindlicher Wildstöcke in einem Nano – Aquarium (hier Cubicus der Fa. AM mit rd. 135l Fassungsvermögen), durchaus gelingen kann. Und das bei guter Farbausbildung und beeindruckendem Wachstum der Tiere. Der Erfolg besteht in einer guten Auswahl der Technik und des Versorgungssystems, besonnenem Vorgehen und einer guten Beobachtungsgabe für seine Pfleglinge. Dies alles sind zwar auch wichtige Voraussetzungen bei größeren Aquarien, bei Nano – Aquarien sind aber die Auswirkungen, auf Grund des geringen Volumens, gravierender.
Alle gezeigten Bilder, außer Bild 1 „Natürliches Riff“ sind unbearbeitete Originalbilder und wurden mit einer handelsüblichen Handykamera erstellt
Alle Aufnahmen, außer Bild 1 stammen vom Autor selbst.
Quelle Bild 1:
http://www.scienceinpublic.com.au/media-releases/science-aims-images
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